Der Bitcoin ist nicht über Nacht entstanden. Über Jahrzehnte haben Entwickler die Grundlagen für das erste Kryptoasset geschaffen.
Kartenzahlung als erster Schritt
Auf dem Weg zu digitalen und dezentralen Zahlungsmitteln mussten nicht nur zahlreiche technische Probleme gelöst werden. Es galt auch, die Menschen vom Nutzen digitaler Zahlungsmittel in der Praxis zu überzeugen. Wie viele neue Entwicklungen hatte auch der bargeldlose Zahlungsverkehr zu Beginn mit viel Skepsis zu kämpfen.
In den 1980er Jahren entstanden die ersten funktionierenden Systeme für bargeldlose, kartenbasierte Bezahlprozesse. Ein frühes Beispiel für den sinnvollen Einsatz lieferten in den achtziger Jahren einige Tankstellenbesitzer in den Niederlanden. Nach zahlreichen Überfällen wollten die Eigner der Tankstellen das finanzielle Risiko sowie die persönlichen Gefahren reduzieren und führten die Kartenzahlung ein. Die Kunden nahmen das System an und konnten an den teilnehmenden Tankstellen fortan bargeldlos bezahlen. Was heute selbstverständlich klingt, war seinerzeit ein bemerkenswerter Schritt.
“If I have seen further it is by standing on the shoulders of Giants.”
Isaac Newton
Internetwährungen
Während die Kartenzahlung greifbar ist, existieren virtuelle Währungen nur innerhalb von Rechnern. Als solche startete 1998 die Internet-Währung “Flooz”, deren Funktionsweise bekannten Bonuspunkt-Systemen ähnelt. Anwender konnten durch webbasierte Einkäufe Flooz verdienen, die sie dann bei Einkäufen über teilnehmende Webseiten wieder gegen Waren tauschen konnten. Ein Flooz entsprach dem Gegenwert von einem US-Dollar. Wie vergleichbare Projekte erreichte auch der Flooz nie die kritische Masse und überlebte das Ende des ersten Internet Hypes zur Jahrtausendwende nicht.
Sowohl das Modell der Kartenzahlung als auch die Konzepte der ersten Internetwährungen waren Ansätze zur Lösung spezifischer Probleme. Bereits in den 1980er Jahren gab es jedoch auch Projekte, die einen wirklich großen Wurf wagten.
“The only thing useful banks have invented in 20 years is the ATM.”
Paul Volcker (1927 - 2019, ehemaliger Chairman der Fed)
David Chaums eCash
Der bekannte US-amerikanische Informatiker David Chaum finalisierte im Jahr 1989 die Arbeit an einem Protokoll für eine digitale Währung, die er eCash nannte. Das Konzept nutzte zahlreiche von ihm entwickelte Verfahren, darunter die kryptografische Methode der “blind signature”. Dieses Verfahren ermöglicht die Verifikation des Absenders einer Nachricht ohne die Offenlegung des enthaltenen Inhaltes und ist ein wichtiges Element bekannter Kryptoasset-Protokolle.
Trotz der technisch anspruchsvollen Umsetzung war dem eCash kein langfristiger Erfolg beschieden. Zum einen hatte der Aufstieg des E-Commerce gerade erst begonnen. Andererseits ähnelte das Protokoll zu sehr der Struktur zentraler Dienstleister, wie sie heute durch PayPal repräsentiert werden. Durch die starre Anbindung an das bestehende System der Geschäftsbanken stellte eCash kein unabhängiges Zahlungssystem dar. Die Arbeit von David Chaum war jedoch nicht umsonst. Die von ihm entwickelten und in der Praxis erprobten Konzepte bereiteten den Boden für die nachfolgenden Entwicklungen.
Eines wurde allen Befürwortern einer digitalen Währung durch die zentrale Natur des eCash-Systems und die daraus resultierenden Probleme mit den Regulierungsbehörden spätestens zu dieser Zeit klar. Ein robustes und unabhängiges Geldsystem muss dezentral konzipiert sein.
“Digital payments have become a major tool to promote financial inclusion in the country. In a densely-populated nation like India, it is not possible for banks to be omnipresent.”
Nityanand Sharma (Simpl Technologies)
b-money und bit gold
Rund zehn Jahre nach dem Start von David Chaums eCash konzipierte Wei Dai, ein chinesischer Hardware Entwickler, das digitale Geld b-Money, das schon viele Punkte des Bitcoins vorwegnahm. In seinem Paper beschrieb Wei Dai beispielsweise die Möglichkeiten, den bei der Lösung eines mathematischen Problems geleisteten Rechenaufwand als proof-of-work zu nutzen, und den beteiligten Rechner für diese Leistung zu vergüten. Auch die Nutzung eines gemeinsamen Buchhaltungssystems (distributed legder), deren Einträge kollektiv verifiziert und akzeptiert werden, wurde von Dai erwähnt. Über die Konzeptionsphase kam sein Protokoll zwar nie hinaus, beeinflusste jedoch spürbar die nachfolgenden Entwicklungen. Zu Ehren von Wei Dai wurde die kleinste Einheit des Ethers, der wei, nach ihm benannt.
Ein weiterer bedeutender Pionier der digitalen Währungen ist der aus Ungarn stammende Nicholas Szabo. Im Jahr 1998 entwickelte der Informatiker mit dem bit gold-Protokoll einen direkten Vorläufer des Bitcoins, der essentielle Bausteine seines Nachfolgers bereits erkennen ließ. Der Kern des bit gold Protokolls ist das proof of work Konzept, bei dem Szabo sich an der Arbeit von Adam Back orientierte. Dieser hatte ein Jahr zuvor einen entsprechenden Algorithmus geschaffen, der zur Vermeidung von Spam-Nachrichten und zur Vorbeugung gegen Distributed-Denial-of-Service Attacken in Netzwerken eingesetzt werden konnte.
Der Beitrag von Szabo zur Schaffung eines dezentralen Geldsystems ist außerordentlich. Lediglich das double spend Problem konnte Szabo mit seinem bit gold-Protokoll nicht zufriedenstellend lösen. Dabei handelt es sich um die Frage, wie sich in einem Zahlungssystem die mehrfache Ausgabe derselben Geldeinheit verhindern lässt. Eine derartige Kontrolle in einem dezentralen System ohne zentrale Abwicklungseinheit zu implementieren ist ein sehr schwieriges Problem, dessen Lösung zunächst offenblieb.
“Innovation is an inexhaustible engine for economic development.”
Li Keqiang
Bitcoin Genesis
Mit der Schaffung des Bitcoin-Protokolls kombinierte Satoshi Nakamoto verschiedene von seinen Vorgängern entwickelte Bausteine. Gleichzeitig löste er durch die Implementierung des Bitcoins als Blockchain Anwendung auch das Problem des double spend.
Der 31. Oktober 2008 markiert das Datum der Veröffentlichung des Bitcoin Whitepapers mit dem Titel “Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System”. Am 3. Januar des Jahres 2009, mitten in der größten Finanzkrise seit den 1930er Jahren, wurde mit dem Genesis Block der Ursprung der Bitcoin-Blockchain gelegt. Dieser Block ist der erste Block, der jemals auf dem Bitcoin-Netzwerk erzeugt wurde. Da die Belohnung für Erstellung des Blocks im Rahmen des Mining-Prozesses seinerzeit bei 50 Bitcoin lag, entstanden zeitgleich mit diesem ersten Block auch die ersten 50 Bitcoin.
Der Startzeitpunkt des Netzwerkes wurde nicht zufällig gewählt. Das globale Finanzsystem stand seinerzeit vor einem Komplettversagen. Ein Detail lässt einen Blick auf die Beweggründe Nakamotos zu, der mit der Erzeugung des ersten Blocks der Bitcoin Blockchain eine kurze Textnachricht übermittelte. Bei dieser Botschaft handelt es sich um das Zitat der Überschrift eines Artikels aus der englischen Tageszeitung The Times vom 3. Januar 2009, in dem über die Pläne des damaligen Finanzministers Alistair Darling berichtet wird, die britischen Banken im Rahmen einer erneuten Rettungsaktion mit hunderten Milliarden britischen Pfund zu stützen. Der kurze Text lautete “The Times 03/Jan/2009 Chancellor on brink of second bailout for banks“.
Für Nakamoto stellte das Bitcoin Netzwerk als bankenunabhängiges Peer-to-Peer System für den globalen Zahlungsverkehr eine Alternative zum bestehenden, zentralisierten System dar.
“A lot of people automatically dismiss e-currency as a lost cause because of all the companies that failed since the 1990’s. I hope it’s obvious it was only the centrally controlled nature of those systems that doomed them. I think this is the first time we’re trying a decentralized, non-trust-based system.”
Satoshi Nakamoto